Freitag, 1. April 2016

Glühende Kohlen - wie man darüber läuft, anstatt darauf zu sitzen

Glühende Kohlen - wie man darüber läuft, anstatt darauf zu sitzen

Ein Bericht von einer wunderbaren jungen Frau und mutigen 30 Meter Feuerläuferin am 26. März 2016, der so gut ist, dass ich diesen einfach weitergeben möchte.


Petra und Dieter kann ich nur mit Farben beschreiben und mit Naturgewalten vergleichen: 


Petra in leuchtenden Rottönen, die mich an Feuer erinnern. Ein Feuer, das unglaublich wärmen, aber zugleich auch ziemlich heiß brennen kann, wenn man nicht richtig aufpasst.



Dieter erscheint mir dagegen in strahlendem Weiß und Blau
Dieter der Energieblitz
– ganz wie ein Blitz, der Dank seiner Energie einen Baum spalten
, oder Sand in Glas verwandeln kann. Deshalb ist es für mich auch so passend, dass ich in meinem ersten
Seminar mit Dieter über Glasscherben lief und Petra mich diesmal über glühende Kohlen geführt hat.

In beiden Seminaren wurde vor allem Eines unmissverständlich klar: die Liebe und Leidenschaft, mit
denen diese zwei Ihren Beruf zur Berufung gemacht haben. Sie LEBEN diese Berufung, jeden Tag aufs Neue. Wer sich auf einen Event der Positiv Factory einlässt, lernt nicht nur eine Vielzahl von unglaublich interessanten, aufgeschlossenen und warmherzigen Teilnehmern und Trainern kennen, sondern mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit auch einen bisher unbekannten oder längst vergessenen
Teil  von sich selbst.

Ich habe mich in letzter Zeit immer häufiger dabei ertappt, an meine Kindheit zurückzudenken. Wie war ich als Kind? Erzählungen meiner Eltern, gemischt mit meinen eigenen Erinnerungen malten ein Bild, das mir mittlerweile fremd erschien: Ich war angstfrei. Meine Mutter erzählt heute noch gerne, dass ich mit jedem gesprochen habe, immer habe ich gesungen und gelacht und getanzt. Ich war ein rundum fröhliches, aufgeschlossenes Mädchen, ein Sonnenschein. Aber was ist mit diesem Mädchen passiert? Wo ist sie? Das habe ich mich über die Jahre hinweg immer wieder gefragt. Wann habe ich angefangen, solche Angst zu entwickeln? Und seit wann hat mich die Angst eigentlich so sehr im Griff,
dass mir alles wie durch einen Graufilter erscheint?

Die Antwort scheint natürlich wie alles andere im Leben erst mal unglaublich kompliziert. So ein Leben ist gefüllt mit tausenden kleinen und großen Erfahrungen, manche gut, manche schlecht, manche freudig, andere wieder erschütternd. Mit jeder Erfahrung kommt eine Linie zum Raster dazu, bis dieses Raster so dicht ist, dass nichts mehr durch kommt. Ich habe dieses Raster Stück für Stück
um mich gezogen, bis ich so fest darin gefangen war, dass ich die anderen nur noch durch die kleinen Löcher beobachten konnte. Kein Wunder, dass mir alles grau erschien, habe ich mir den Graufilter doch selbst gebaut!


Gitti und ihr JUMP
Zum Glück habe ich aber tolle Freunde! Zu diesen Freunden gehört eine wunderbare, völlig angstfreie und unerschütterliche Frau, die mich letzte Woche anrief und sagte: „Du Simmi, da Dieter und de Petra machan am Wochenende an Feierlauf. Kimmst scho mid, oda?“ 
(Für die Nicht-Bayern unter uns:
„Du meine liebe Simmi, Dieter und Petra machen am Wochenende einen Feuerlauf, du kommst auch mit, oder?“)
Meine erste Reaktion war „Ja klar!“ Und dann kamen die Zweifel...


   Andere Leute könnten sonst was von mir denke
Nicht, dass ich mich zum totalen Affen mach
          Garantiert bin ich dann die Einzige, die sich nicht traut
Sowas kann doch gar nicht funktionieren, oder?
Toll, am Ende bekomm' ich noch Brandblasen

Wird's ersichtlich? Man sagt oft im Spaß „Man kann sich das Leben aber auch selbst schwer machen.“ 
Unbewusst war das meine Realität. Jeden Tag. Wenn ich mir überlege, wie viel Energie ich für Ausreden verschwendet habe, warum ich dies, das und jenes nicht machen kann... Mein Chef sagt immer „Lieber Gott, nimm mir alles, nur nicht meine Ausreden“. Und so sehr sich unsere Meinungen oft
unterscheiden mögen, damit hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. 


Unser Seminarzentrum Keindl
Nach vielem Überlegen, stillen Debatten mit mir selbst und mehreren Telefonaten war da eine kleine Stimme in mir, die mich antrieb, nun doch endlich mal über meinen Schatten zu springen. Und so kam es, dass ich am Samstag Nachmittag als nervöses Nervenbündel auf dem Parkplatz zum Gasthof Keindl in Oberaudorf aus dem Auto stieg, und mich zum gefühlt hundertsten Mal fragte „Was machst du hier eigentlich?!“ 

Die Antwort kam recht schnell: Angst  haben. Je mehr Menschen ich gesehen habe, desto mehr habe ich mich wieder wie eine Schildkröte in mich zurückgezogen. Als es dann an die erste Tanzrunde ging, floh ich sofort nach draußen. Erst mal eine rauchen.
Ich kann doch da drin nicht einfach rumhopsen?
Du kannst aber auch nicht ewig hier draußen stehen. Hättest ja gleich daheim bleiben können.
Also bin ich wieder rein. Da wurde ich gleich mal von der Stretch-Zone in die Panik katapultiert.
Während ich draußen nervös an meiner Zigarette gezogen und wieder mal ein Gespräch mit mir selbst,
anstatt mit anderen geführt habe, wurden im Seminarraum die ersten Verbindungen geknüpft. Man stand nun im großen Kreis, hielt sich an den Händen und sang „What's Up?“ von 4 Non Blondes.
Jetzt war ich aber schon mal da, nochmal raus wollte ich nicht. Also schnappte ich mir meine Kamera und begann zu knipsen. Mit jedem Foto wurde mir bewusst, wie gelöst die anderen aussahen und wie verkrampft ich im Vergleich dazu war. Das willst du doch auch, deshalb bist du doch hier, oder? Wieder diese innere Stimme... Also machte ich den ersten Schritt in den Kreis.


Ab diesem Zeitpunkt ging dann alles recht schnell. Wir wechselten zwischen Übungen und Anekdoten,
Bewegung und Stille, Reden und Zuhören, AHA!-Momenten und stiller Resonanz. Man fühlt sich den anderen verbunden, zugehörig. Diesen Weg geht zwar jeder für sich, aber doch nicht alleine.

Zwischen den Übungen gab es immer wieder Pausen, in denen man die Möglichkeit hatte, sich mit den anderen zu unterhalten, für sich zu sein, oder die Tütchen an der hinteren Wand des Seminarraums zu befüllen. Jeder durfte sich eine Tüte aussuchen, seinen Namen drauf schreiben und sie mit Postkarten,Süßigkeiten und vielen anderen Goodies von den Teilnehmern befüllen lassen, während man selbst die anderen Tüten füllte. Am Schluss würde dann jeder seine eigene Tüte mit nach Hause nehmen. 

Nach der großen Pause, in der wir alle lecker im Gasthof aßen, ging es dann zum ersten Mal raus. Die
Holzstapel wurden von der Gruppe vorbereitet und schließlich – natürlich in Anwesenheit der lokalen
Feuerwehr – entzündet. Das wird also die Glut, über die wir später laufen werden. Auf einmal wird es Realität. 
Wir laufen da alle drüber. Ich auch? Die ganzen 30 Meter?

Zurück im Seminarraum wurden die Übungen etwas ruhiger, ernster. Es ist schließlich eine Sache, sich einen Feuerlauf vorzustellen, aber eine ganz andere, sich wirklich darauf vorzubereiten. 
Der Lauf wurde in der Gruppe den ganzen Tag über geübt, aber jetzt wurden Matten ausgelegt, die die Bahn symbolisierten. Wir liefen nur noch zu zweit. Während die, die den Feuerlauf schon erlebt hatten, weiterhin kraftvoll und völlig zuversichtlich den ersten Schritt machten, brauchte ich eine Minute oder zwei.

Dann war es plötzlich soweit. Wir gingen hinüber zum Feld, auf dem die vorhin noch mannshohen
Holzstapel- mittlerweile zu Glut heruntergebrannt - auf einen dreißig Meter langen Pfad verteilt wurden. Während der letzten Vorbereitungen lief nochmal jeder den Weg neben der Bahn ab. Ca. 45 Schritte hieß es vorhin, auch noch nach meinem Beispiel abgemessen, da ich mit meinen 153 cm der Zwerg der Gruppe war. Schließlich fanden wir uns alle vor dem vorbereiteten Pfad ein.

Hochkonzentriert und mit kalten Füßen standen wir da und starrten auf die Glut. Gerade scherzte noch jemand, dass es dort wenigstens schön warm wäre und dann war Petra auch schon unterwegs. 
Gebannt sah ich zu, wie sie einen Schritt nach dem Anderen auf den glühenden Kohlen machte.
 Zuversichtlich, selbstbewusst, in vollkommenem Vertrauen und absolut angstfrei. Ein Teil von mir lauschte gebannt, ob ich nicht doch ein „Autsch!“ hören würde, doch er lauschte vergeblich. Nach und nach trat einer nach dem anderen auf den Weg und am Ende konnte man die Jubelrufe hören.

Die Schlange vor mir wurde immer kürzer und auf einmal stand ich da, Hand in Hand mit meinem persönlichen Anker, meiner guten Freundin, die mich zu dieser scheinbar irren Aktion mitnahm. Kein Blick nach links oder rechts, nur absolute Konzentration. Wieder dieses leise Flüstern in mir: This is it. 
Hier stehst du nun, vor 30 Metern Glut und da gehst du jetzt auch drüber, come Hell or High Water, wie man im Englischen zu sagen pflegt. Nochmal tief durchatmen. Ein Händedruck. Und dann tat ich den ersten Schritt.


samtig weich wie Puderzucker
In meinem Kopf ging alles drunter und drüber. Ich laufe gerade auf ca. 700°C heißer Kohle! Die Angst brüllte mich innerlich förmlich an, schrie 
„Du verbrennst dich, das hast du nun
davon!“.
Ich lief weiter. Einen Schritt nach dem Anderen, wie die anderen Teilnehmer vor mir auch. Mein Körper und mein Gesicht fühlten sich hart an, angespannt, verbissen. Ungefähr fünf Schritte später fühlte ich noch immer nichts als weiche
Wärme. Ich sah weiter nach vorn. Noch ein Schritt und noch
einer. Aus Anspannung wurde Entschlossenheit. Es kehrte Ruhe in den Tumult in meinem Geist und aus der Stille hörte ich sie wieder, eine einzelne Stimme. Sie schien zu lächeln. „Siehst du?

Es geht! DU gehst! In diesem Moment!“ Als wir am anderen
Ende ankamen, fielen wir uns jubelnd in die Arme. Jetzt sind wir Feuerläufer!


Und dann öffnete sich in mir eine Tür. Da stand sie, das
kleine Mädchen, das singt, tanzt, lacht und sich am Leben
freut. Nicht nachtragend, dass sie so lange weggesperrt war,
sondern glücklich darüber, dass ich sie endlich wieder
gefunden habe.

Zurück im Seminarraum schien jeder völlig losgelöst. Es wurde getanzt, rumgehüpft, gebrüllt und gesungen. Ich zögerte wieder. Kann ich da jetzt mitmachen? Jemand winkte mir von der Tanzfläche aus zu, rief „Komm, tanz mit!“. Und während ich innerlich noch nach einer Ausrede suchte, warum ich gerade jetzt nicht kann, bewegte ich mich schon darauf zu. Die Jacke schmiss ich unterwegs auf einen
Stuhl und stürzte mich einfach so ins Leben.

Als ich ein paar Stunden später zu Hause ankam, fiel mir die Tüte ein. Ich hatte wieder Angst, dass sie leer sein würde, ich kannte ja niemanden dort, was sollten sie schon über mich sagen? Das Gegenteil war der Fall. Sie war voll mit Süßigkeiten, einer CD und vielen liebevollen Botschaften. Eine darunter erstaunte mich ganz besonders: Du bist toll und ein riesen Sonnenschein! 

Also war sie nie weg, das kleine Mädchen, der Sonnenschein. Ich war nur zu beschäftigt mit den
Wolken, die mir die Sicht versperrten. An dieser Stelle und zum Abschluss möchte ich noch eine Botschaft zitieren, die ich in meiner kleinen Feuerläufer Tasche erhalten habe:

Über den dunklen Wolken ist der Himmel immer blau. IMMER!


Vielen, vielen Dank an die wunderbaren Trainer und Teilnehmer, die mir diese Erfahrung ermöglichten! Ich habe selten etwas so befreiendes erlebt und hoffe auf viele weitere Tage wie diesen mit euch!


Herzlichen Dank an alle Feuerläufer für den Mut und das Vertrauen, sich immer wieder mit Begeisterung auf dieses besondere Erlebnis einzulassen!

Bis zum nächsten Mal mit Freude und Leichtigkeit, denn es gibt nur eines, was wirklich schwierig ist beim Feuerlaufen.

Den ersten Schritt zu tun und sich dafür anzumelden. Alles andere ist viel leichter wie gedacht.

Mit herzlichen Grüßen

Petra - unsere 30 Meter Bahn auf Youtube

1 Kommentar:

Stefan G. hat gesagt…

Wow, ganz herzlichen Dank für diesen tollen Bericht....da muss man selbst an der einen oder anderen Stelle schmunzeln bzw. fühlt sich ertappt :-). LG Stefan der Feuerläufer